Vor der Kamera mag sie diszipliniert sein, doch in ihrem Zuhause zeigt sich Claudia Schiffer ganz entspannt. Mit viel Farbe, Mustern und Erbstu?cken macht sie es ihrer Familie – und an den Wochenenden auch den vielen G?sten – gemu?tlich.
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Claudia Schiffer mit ihrem Springador Bullet. (Foto: Simon Upton)
Gründungsmitglied im Club der Supermodels, Werbeikone, tausendfaches Covergirl und geschickte Gesch?ftsfrau – Claudia Schiffer w?re nicht all das, wenn sie nicht das Talent bes??e, sich stets neue Bühnen und Wege zu erschlie?en. Und so begab es sich vor 15 Jahren, dass sie und ihr Ehemann, der englische Filmregisseur Matthew Vaughn, unangekündigt und aus einer Laune heraus in eine lange Auffahrt in der Grafschaft Suffolk abbogen. Sie wollten herausfinden, ob die Eigentümer des historischen Hauses am Ende des Weges wom?glich Interesse h?tten, ihr Anwesen zu -verkaufen. Dass Schiffer die Besitzer für ihr Anliegen eroberte, versteht sich fast von selbst. ?Wir haben einfach angeklopft und gesagt: ?Wir sind ganz verliebt in dieses Haus!‘“, erinnert sie sich an den glücklichen Moment. ?Sie hatten gar keine Ahnung, wer wir beide waren.“ Monate sp?ter hatte das Paar Coldham Hall gekauft und heiratete dort vor 120 G?sten.
Heute ist das herrschaftliche Tudor-Landhaus mit seinen 14 Schlafzimmern und 215 Hektar das Zuhause ihrer Familie. Schiffer und Vaughn leben dort mit ihren Kindern Caspar, 15, Clem-entine, 13, und Cosima, 7. Dazu kommen noch Hunde, Katzen, Schafe, Schweine und eine Schildkr?te – Letztere war ein Geschenk von Vaughn, kurz nachdem er Claudia Schiffer bei einem Blind Date kennengelernt hatte. ?Wir waren damals nicht einmal wirklich zusammen“, berichtet sie, noch immer entzückt von der liebevollen Geste. ?Ich hatte ihm beim Dinner erz?hlt, dass ich Schildkr?ten liebe und schon immer eine haben wollte.“ Und voilà: An ihrem Geburtstag traf eine bei ihr auf Mallorca ein. Heute lebt sie munter und vergnügt in den Stallungen.
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Coldham Hall liegt nord?stlich von London in der Grafschaft Suffolk. 215 Hektar Land umgeben das zur Tudor-Zeit erbaute Haus mit H-f?rmigem Grundriss. Als ein Brand vor einigen Jahren den Glockenturm und einige Stallungen zerst?rte, blieb es glücklicherweise unversehrt. (Foto: Simon Upton)
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Ein Blick auf den englischen Rasen, auf dem im Sommer mit G?sten gern Krocket gespielt wird. (Foto: Simon Upton)
Es hei?t, das Haus aus dem Jahr 1574 – der Grundriss hat die Form eines H zu Ehren von Heinrich VIII. – verdanke seinen Namen K?nigin Elisabeth I. Angeblich war die Queen verwundert angesichts des kalten Schinkens, den man ihr dort auftischte, und taufte das Anwesen deshalb Coldham Hall. W?hrend der elisabe-thanischen Verfolgung bot es katholischen Priestern eine Zuflucht, bis heute sind davon einige kleine Kammern unter den Dielen geblieben, die den Kindern beim Versteckenspielen sehr gelegen kommen. ?Sie haben dort unten schon oft mit Magneten und Schnüren nach Sch?tzen geangelt“, erz?hlt Schiffer – allerdings bisher ohne Erfolg. Rund 300 Jahre blieb das Anwesen, das im frühen 17. Jahrhundert Treffpunkt für die Verschw?rer des Gunpowder Plot war, im Besitz der Erbauerfamilie.
?Wir müssen einer gro?en Historie gerecht werden“, r?umt Claudia Schiffer ein. Aus Respekt vor der reichen Vergangenheit des Hauses gingen sie und ihr Mann bei der Einrichtung langsam und wohlüberlegt vor. ?Wir haben uns Zeit gelassen. Nichts wurde auf die Schnelle gekauft.“ Die M?blierung ist ein Mix aus komfortabel gepolsterten Sofas und Sesseln, Antiquit?ten und Erbstücken. ?Es ist schade, wenn gro?artig designten Interiors die pers?nliche Note fehlt“, meint Schiffer. ?Ich wollte Dinge im Haus haben, an denen wundervolle Erinnerungen h?ngen.“ Im Salon etwa die Eichentruhe aus ihrem Elternhaus oder ein Schild mit dem Familien-wappen ihres Mannes in der gro?en Halle. ?Die Geschichten, die sie erz?hlen, sind uns wichtig.“ Und noch etwas anderes: ?Wir haben auch eine Menge Farben und Muster ins Haus geholt“, sagt Schiffer. Für die W?nde in den meisten G?stezimmern w?hlte sie traditionelle Motive – Stoff mit Lebensbaum-Dessin in einem Raum, eine Obstgarten-Tapete in einem anderen. Ein weiteres Schlafzimmer wurde auf ihren Wunsch vom Boden bis zur Decke in die karminrote ?Lotus“-Tapete von Galbraith & Paul gehüllt – man fühlt sich dort wie in einem Zelt.
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Fast alle G?stezimmer greifen das Naturthema mit stilisierten Blatt- und Blütenmotiven auf, etwa die Tapete ?Lotus“ von Galbraith & Paul (im Hintergrund ein G?stebad). (Foto: Simon Upton)
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Schiffer hat ein Faible für Warhol – hier zu sehen vier Bilder aus dessen Siebdruck-Serie ?Electric Chair“. (Foto: Simon Upton)
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Sohn Caspars knalliges Edelweiss-Klavier leuchtet vor einer Arne-Jacobsen-Tapete von Bor?s. überwurf von Knight Mills, Stehleuchte von Santa & Cole. (Foto: Simon Upton)
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Idyll und Wildnis: Der Tisch im Esszimmer ist mit Villeroy & Bochs ?Petite Fleur“ und Gl?sern von Daylesford Organic gedeckt, die pittoresken Keramikkannen sind von Bordallo Pinheiro. Ein L?wenportr?t des Modefotografen Patrick Demarchelier wacht über dem Kamin. (Foto: Simon Upton)
W?hrend die Einrichtung bewusst ins Traditionelle tendiert, bildet die Kunst an den W?nden einen lebhaften Kontrast dazu. Claudia Schiffer und Matthew Vaughn sind passionierte Sammler und haben beeindruckende Werke von Damien Hirst, Andreas Gursky, Candida H?fer und anderen zeitgen?ssischen Meistern zusammengetragen. Zu ihren jüngsten Erwerbungen z?hlen iPad-Zeichnungen der englischen Landschaft von David Hockney, die Schiffer ins Auge fielen, ?weil sie aussehen, als w?ren sie hier bei uns entstanden“. Schon als junges Model durchst?berte sie die Pariser Galerien. W?hrend sich ihre Kolleginnen ins Partyleben stürz-ten, machte sich das zurückhaltende ?brave M?dchen“ aus Deutschland Gedanken über seine künftige Kunst-samm-lung. ?Das Centre Pompidou zeigte damals eine Warhol--Ausstellung“, erz?hlt sie, ?und ich wei? noch, wie ich dachte: Wenn ich irgendwann einmal genug Geld habe, m?chte ich mir eins dieser Bilder kaufen.“ Nach zehn Jahren in der Modebranche war es so weit: Sie erwarb ihren ersten Warhol – eine Arbeit aus seiner ?Camouflage“--Serie, die jetzt im study h?ngt. Als vor einigen Jahren der Uhrturm niederbrannte und Schiffer und Vaughn überlegten, was sie retten wollten, falls das Feuer auf das Hauptgeb?ude übergreifen wür-de – so weit kam es dann zum Glück nicht –, fielen ihnen als Ers-tes einige Kunstwerke ein: Ashkan Sahihis Linsenraster-Fotos ihrer drei Kinder, ein Adam Fuss-Fotogramm von Cosima als Baby (?Als ich erfuhr, dass er solche Bilder macht, war es für die ?lteren Kinder leider schon zu sp?t“) und ein Gem?ldepaar von Ed Ruscha: ?Marry me“ gab Vaughn in Auftrag, als er um Schiffers Hand anhielt. Und ?Yes“, das Pendant, steht natürlich für ihr Jawort – allerdings, versichert sie l?chelnd, habe sie ihm zuvor bereits mündlich geantwortet.
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Gro?es Kino: Die Sessel im screening room sind mit Hermès-Stoff von Dedar bezogen, das Sofa vorn mit Kaschmir von Loro Piana Interiors; Webteppich von Robert Stephenson. An den W?nden h?ngen unter anderem Werke von Lucian Freud (li.) und Peter Beard (ganz re.). (Foto: Simon Upton)
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Die W?nde eines weiteren G?stezimmers lie? Schiffer mit ?Pommes De Pin“ von Le Manach bespannen. Die antike Bank wurde mit Romos Halbleinen ?Linara“ bezogen, darauf – als Reminiszenz an die alte Heimat? – Wurstkissen von Aufschnitt Berlin. Stehleuchte von Vaughan. (Foto: Simon Upton)
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Im gemütlichen study entwickelt das Paar – mal einzeln, mal gemeinsam – neue berufliche Projekte. Auf einem der Cordsofas liegt eine Decke von Hermès, die W?nde sind mit kumquatfarbenem Tuch von Lelièvre bezogen. über dem Kamin h?ngt Grayson Perrys ironische ?Map of an Englishman“ von 2004. (Foto: Simon Upton)
?Bei uns geht es nicht steif zu. Jeder kann hier tun und lassen, was er mag.“
Claudia Schiffer
Anfangs war Coldham Hall nur eine Wochenendzuflucht, doch vor ein paar Jahren zog die Familie aus London ganz nach Suffolk. Morgens bringen Schiffer und Vaughn die Kinder zur Schule – kein Paparazzo weit und breit. Danach ziehen sie sich mit einer Kanne Tee in ihr study zurück, wo sie Seite an Seite am Schreibtisch arbeiten und auch oft Kreativmeetings abhalten. Zu Claudia Schiffers jüngsten Projekten z?hlt der kürzlich bei Rizzoli erschienene Coffeetable-Band über ihre spektakul?re, drei Jahrzehnte umspannende Model-Karriere, darüber hinaus fungiert sie als Exec-utive Producer der Filme ihres Mannes. Der neuste, ?Kingsman: The Golden Circle“, kam im September in die Kinos. ?Es ist so ruhig hier, wir k?nnen uns wirklich Zeit lassen“, charakterisiert sie das idyllische Arrangement. ?Matthew und ich sch?tzen unser Privatleben sehr. Wir gehen nicht viel auf Partys, lieber laden wir Freunde zu uns nach Hause ein.“ Dafür eignet sich das Anwesen perfekt. Coldham Hall bietet nicht nur genügend G?stezimmer, um als Boutiquehotel durchgehen zu k?nnen, es ist auch ausgesprochen kind- und haustiergerecht eingerichtet. Viele M?bel sind mit robusten, alltagstauglichen Stoffen wie Cord und Mole-skin bezogen. ?Jagdkleidung ist aus Mole-skin. Das bedeutet, es h?lt ewig“, erkl?rt die Hausherrin. ?überhaupt geht es bei uns nicht steif zu. Jeder soll tun und lassen k?nnen, was er mag. Ich m?chte, dass man das Gefühl hat, hier dürfen auch matschnasse Hunde und Kinder mit Marmeladenfingern herumrennen.“ An den Wochenenden ist das Haus fast immer voller G?ste. Die Tage sind dann ausgefüllt mit Aktivit?ten im Freien: Krocket, Schwimmen, Tennis, lange Ausflüge mit den Hunden. Die Mahlzeiten sind sehr famili?r, denn ?wir essen immer mit den Kindern. Alle sitzen zusammen.“ W?hrend Schiffer und Vaughn sich unter der Woche gesundheitsbewusst ern?hren, lassen sie am Wochenende fünfe gerade sein und servieren herzhafte englische Klassiker wie Shepherd’s Pie und Yorkshire Pudding. Abends schauen die Erwachsenen einen Film im Kinozimmer oder spielen am Kamin im Salon Hearts, w?hrend sich die Kinder im Spielzimmer mit ihrer ?Wii“ oder am Snooker-Tisch vergnügen.
Eigentlich scheint alles fast zu sch?n, um wahr zu sein. Doch wenn es Nacht geworden ist und das Feuer knistert, offenbaren die Gastgeber ihren Sinn für Dramatisches. ?Dann fangen wir an, uns Geistergeschichten zu erz?hlen“, verr?t Schiffer. Der Witz dabei – oder der Horror – ist, dass es auf Coldham Hall tats?chlich spukt. ?Wir h?ren lautes Knarren, und manchmal passieren seltsame Dinge – pl?tzlich beginnt Musik zu spielen.“ Ob sie je versucht haben, dem Spuk ein Ende zu setzen? ?Wir hatten ein Medium da. Sie schaute sich alle R?ume genau an und sagte uns dann, die Geister hier seien alle ganz liebenswürdig“, berichtet Schiffer mit todernster Miene. ?Es braucht sich also niemand zu fürchten.“ Und fügt mit einem warmen L?cheln hinzu: ?Grunds?tzlich hei?en wir alle Geister willkommen.“ Vielleicht sollte man zutreffender sagen: Den Geistern sind offenbar Claudia Schiffer und ihre Familie willkommen.